こんにちは Freunde!
In diesem Artikel geht es um die Bewohner des Dorfes Ogimi in Japan und ihren Ernährungsgewohnheiten. Wie du mit weniger Essen wohlmöglich dein Leben verlängerst und wie für mich Essen mit Achtsamkeit zusammenhängt.
Die Lebenserwartung in den “high income” Ländern nimmt bekanntlich stetig zu. Besonders Japan gehört dabei global gesehen zu den Ländern mit einer ungewöhnlich hohen Lebenserwartung. Ein deutscher Mann lebt im Schnitt 78,6 Jahre, ein Japanischer Mann hingegen 81,6 Jahre und eine Japanische Frau sogar 87,7 Jahre. Damit liegen Japaner was Langlebigkeit angeht Weltweit auf dem 3. Platz direkt hinter Island und Hong Kong.
Und das sind alles nur Durchschnittswerte. In Japan leben über 70.000 Menschen, die älter sind als 100. Die Japanische Insel Okinawa sticht hier besonders hervor, denn hier kommen pro Einwohner die meisten Menschen hohen Alters zusammen. Im Norden der Insel liegt das Dorf Ogimi, auch bekannt als das Dorf der 100 Jährigen. Von den 3000 Einwohnern sind knapp 6% in ihren 90ern.
Klingt nicht viel? Ins Verhältnis gesetzt mit der Bevölkerung der Deutschen Stadt Leipzig ist das in etwa so wie wenn die gesamte Südvorstadt inklusive Zentrum-Süd von 90 -100 jährigen bewohnt wäre. Stell dir das einmal vor, vom Wilhelm-Leuschner-Platz bis zum Panometer lauter Rentner mit Rollator, die zu einer Zeit aufgewachsen sind als der Fernseher erfunden wurde.
Neben einer guten Gesundheit bringen die Menschen auf Okinawa auch eine gute Portion Lebensfreude und Humor mit. Im Dorf Ogimi steht auf einem Stein geschrieben:
"Mit 80 bist du noch ein junger Mensch. Wenn deine Vorfahren dich mit 90 in den Himmel einladen, bitte sie, zu warten, bis du 100 bist - dann kannst du es dir überlegen."
Am liebsten verbringen die Senioren:innen Ihre Freizeit beim gemeinsamen “Geeto Booru” (Gateball). Dabei handelt es sich um eine Croquet verwandte Manschaftssportart bei der mit einem Holzhammer ein Ball durch kleine Tore geschossen wird. Das fördert die Freundschaften innerhalb der eigenen 模合 (Moai). Die Moai bezeichnet auf Okinawa eine inoffizielle Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Interessen, die sich gegenseitig um das Wohl des anderen kümmert und sich sozial engagiert.
Wenn gerade kein treffen in der Moai stattfindet, wird man die meisten wohl bei der Arbeit in ihrem Gemüsegarten finden. Zwar besteht das Rezept für die Langlebigkeit der Japaner aus verschiedenen Zutaten wie beispielsweise einer starken Wirtschaft, einem guten Gesundheitssystem, der Genetik und weiteren Faktoren. Es scheint aber als sei auf Okinawa eine weitere Zutat nicht ganz unbedeutend, die Ernte der Gemüsegärten, ganz nach dem Zitat von Hippocrates “Deine Nahrung sei deine Medizin”.
Katzen auf einer Parkbank - Naha, Okinawa (Japan)
Willcox und Kollegen der University of Hawaii haben die traditionelle Japanische Ernährungsweise auf Okinawa genauer unter die Lupe genommen und sind sich einig ,dass der positive Effekt auf die Gesundheit auf eine Nährstoff- und Antioxidantien reiche aber gleichzeitig Kalorienarme Ernährungsweise zurückzuführen ist. Den größten Teil der Ernährung nehmen frisches Gemüse und Obst ein. Hinzu kommt regelmäßig Fisch, direkt aus dem Ozean vor der Haustür. Verarbeitete Produkte sucht man in der Okinawa Küche vergeblichst.
Aber nicht nur was Okinawer essen scheint wichtig zu sein, sondern auch die Menge. Ein bekanntes Sprichwort in Japan ist “Hara hachi bu” (腹八分). Was heißt das? Das erste Schriftzeichen “hara” (腹) heißt übersetzt Bauch. Das nächste Schriftzeichen “hachi” (八) bedeutet acht. “Bu” (分) hat wie es für Japanische Schriftzeichen (Kanji) so üblich ist verschiedene Bedeutungen. Nach einer kleinen Recherche in meinem Lieblingslexikon, entscheide ich mich in diesem Fall für die Übersetzung ein Zehntel. Und wenn man alles zusammensetzt macht es auch Sinn:
“Bauch-8-Zehntel”
Oder anders ausgerückt 80% des Bauches. Also esse nur bis dein Magen 80% voll ist. Selbstverständlich lässt sich objektiv schwer messen wann denn dein Magen zu 80% gefüllt ist. Es geht aber viel mehr darum aufzuhören, wenn du das Gefühl hast, dass du anfängst satt zu werden. Wir kennen das doch alle. Man ist zwar schon satt (gefühlt ist 90% des Magens gefüllt) aber es war so lecker, Nachschlag muss sein. Und wenn nicht, dann tut es auch der leckere Nachtisch. In Ogimi hört man mit dem Essens schon weit vorher auf. Dabei hilft ihnen ein schlauer Trick: Die Art und Weise wie das Essen serviert wird.
Das essen wird in vielen kleinen Schalen serviert. Vier davon sind sehr klein und beinhalten nur Beilagen, während eine etwas größer ist und die Hauptspeise beinhaltet. Auch wenn man nur eine moderate Portion essen zu sich nimmt, wirkt es durch die Anzahl der Teller wie ein großes Festmahl.
(Tempura, wurde wahrscheinlich im 16 Jh. von den Portugiesen nach Japan gebracht und ist seit dem Teil der Japanischen Küche) Foto von Markus Winkler auf Unsplash
Was können wir nun davon lernen und für uns mitnehmen?
Offensichtlich insgesamt weniger essen und mehr Raum für Obst und Gemüse. Aber ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass essen unsere Achtsamkeit trainieren kann. Um zu verstehen, wie ich darauf komme macht es Sinn etwas zurückzuspulen.
2017 hatte ich das Glück Okinawa zu besuchen, leider war ich nicht im Dorf der 100 Jährigen, sondern in der Hauptstadt Naha, wo ich entweder am Strand rumlag oder in meinem Capsule Hotel ohne Klimaanlage brutzelte. Die Insel ist mir jedoch seit dem im Gedächtnis geblieben und ich habe mir vorgenommen irgendwann zurück zu kommen und die Bewohner Ogimis kennen zur lernen. Vor einigen Monaten war ich dann aus “beruflichen” Gründen auf den Galápagos Inseln, vieles hat mich an Okinawa erinnert. Die Ruhe, das Meer, der Friede. Und wie der Zufall es so wollte habe ich beim Schnorcheln eine Gruppe Touristen aus Ogimi ! getroffen mit denen ich ins Gespräch gekommen bin. Das weckte daraufhin erneut mein Interesse für Okinawa und ich lud mir das Buch Ikigai auf meine Bücher app herunter.
Ich bei meinem Besuch 2017 in Naha, Okinawa (Japan)
Ich wusste dass das Buch etwas mit Okinawa zu tun hatte und wollte es schon länger lesen. In dem Buch geht es hauptsächlich um das “Geheimnis” der 100 Jährigen in Ogimi um so ein hohes Alter zu erreichen. Das bis jetzt beschriebene 80%-Prinzip ist dabei nur ein Teilaspekt des Buches. An vielen stellen geht es aber auch um so melancholische Themen wie das “Hier und Jetzt” und die “Unbeständigkeit der Dinge”. Mega spannende Themen, die ich sicherlich in kommenden Newsletter Einträgen thematisieren werde.
Ich war aber sehr verwundert, dass in dem Buch nicht die Brücke zwischen diesen Themen und Essen gemacht wurde. Während meiner Zeit auf den Galápagos Inseln hatte ich kaum Internet, wenig Menschen um mich herum, und hatte die Möglichkeit im “Hier und Jetzt” zu sein. Ich gab dem 80% Prinzip eine Chance und lernte bald, dass das “Hier und Jetzt” viel mit Essen zu tun hat.
Selbstverständlich bin ich nicht der erste, dem das auffällt. Aus der stoischen Philosophie ist bekannt wie Kaiser Hadrian an Marcus Aurelius schrieb, dass "Überessen ein römisches Laster ist". Er erklärt, dass viel zu viele seiner Mitbürger sich "mit Gewürzen vergiften" und ihre Teller mit reichhaltigen Soßen überschwemmen. Sie überwältigen ihren Gaumen - und sich selbst. Indem sie dem Exzess erliegen, verlieren sie die Fähigkeit, die Dinge zu schätzen, und werfen sich selbst aus dem Gleichgewicht.
Hmm… Über den Hunger essen nimmt uns die Möglichkeit Dinge zu schätzen? Ok, aber wo ist da die Verbindung zum ”Hier und Jetzt”.
Hear me out:
Ich setzte mich also auf Galapagos jeden Morgen an den Strand und aß meine Schokoschnecke in Achtsamkeit. Kein Fernseher, kein Social Media oder Gespräch, das mein Frühstück zur Nebensache machen könnte. Ich versuchte auf die Geschmäcker und die Konsistenz des Essens aber auch auf mein Hungergefühl zu achten. Folgende Dinge bemerkte ich dabei:
Ich habe gar kein Hunger nach dem Aufstehen, sondern erst 3-4 Stunden danach.
Morgens vorm Essen “Leer” zu sein ist ein wunderbares, leichtes, ja fast “entgiftetes/sauberes” Gefühl.
Meine Schokoschnecke schmeckt eigentlich nur nach Zimt. Obwohl ich diese dutzende Male vorher schon gegessen habe, ist mir das nicht aufgefallen.
Ich brauche nicht 4 Brote am Morgen. Eigentlich bin ich nach 1,5 Broten bei 80% Sättigung angelangt.
Das interessante beim Achtsamen essen ist jedoch dass die Gedanken auf einmal eine ungewöhnliche Richtung nehmen können. Den Körper wahrnehmen, auf die Geschmäcker achten und sich bewusst machen, dass dieser Moment einzigartig ist, erfüllt einen mit Dankbarkeit dieses Brot überhaupt erst in der Hand zu halten. Plötzlich denkt man über die Zeit und den Aufwand, die Bauer und Bäcker investiert haben damit dieses Brot entsteht nach. Das ganze lässt sich immer weiter Denken. Dankbarkeit für die Beschäftigung, die dir erlaubt dieses Essen zu kaufen und dafür dass “Los” gezogen zu haben auf dieser Seite der Welt zu leben, wo Nahrung kein Mangelgut ist usw. Und plötzlich hat der Versuch auf mein Sättigungsgefühl zu achten mich einen Stück näher an mich und den Moment den ich gerade lebe gebracht. Und so würde ich sagen kann essen unsere Achtsamkeit trainieren.
Die Japaner sagen, 一期一会 (Ichi go ichi he) ,Sinngemäß heißt es so viel wie dieser Moment existiert jetzt und kommt nicht wieder. Krass oder? Jeder Moment ist einzigartig. Irgendwann wirst du zum letzten Mal Brot essen. Zum letzten Mal Natur sehen und erfahren. Zum letzten mal…usw. Aber das ist kein Grund melancholisch zu werden. Viel eher gibt uns das doch die Möglichkeit die Dinge zu schätzen. Vielleicht leben die Japaner in Ogimi ja nicht nur wegen ihrer guten Ernährung so lange, sondern auch weil sie ihr Leben achtsam wahrnehmen und sich in Dankbarkeit und Zufriedenheit baden? Wer weiß? Vielleicht bin ich ja irgendwann mal in der Position einen 100 jährigen aus Ogimi selbst zu fragen. Bis dahin, wünsche ich guten Appetit..oder uuhm sollte ich sagen achtsamen Appetit.
bernogarcia