Ich bin vor einigen Tagen über einen Podcast von Japan Station gestoßen. Dr. Tom Gill ein ehemaliger Journalist und nun Sozial Anthropologe an der Meji Gakuin in Yokohama berichtet über seine Forschung über Japanische Slums.
Ich war auch zuerst überrascht. Japan gilt doch als ein Land mit sehr wenig Armut und Kriminalität. Dr. Gill beschreibt, dass es in Japan mindestens drei solche Orte gibt. In Tokyo, Yokohama und Osaka. Diese Slums werden auf Japanisch Doyagai genannt. In Japanischer Schrift, どや街. Die Englische Übersetzung ist “Flophouse area” und steht für günstige Tagesunterkünfte, die von armen Einwohnern bewohnt werden.
Aber wie genau sieht es dort aus? Es handelt sich quasi um “Hotels”, wenn man das so sehen möchte. Die Miete wird nämlich täglich gezahlt. Jedes Zimmer hat ca. 4-5 Quadratmeter. Keine Dusche und keine eigene Küche. Zum Duschen wirft man eine Münze in eine Gemeinschaftsdusche um 5 Minuten duschen zu können. Eine Nacht kostet zwischen 1000 bis 3000 Yen (7-20€), je nach Ausstattung des Zimmers.
Einzigartig an Doyagais im Vergleich zu anderen Slums in anderen Ländern, ist dass dort nur Männer leben. Es handelt sich um “Tagesarbeiter”. Sie verrichten also jeden Tag für andere Arbeitgeber einen Job (Meist auf dem Bau oder am Hafen) und leben quasi von Tag zu Tag mit einem Tageslohn. Weil sie von einem Tageslohn leben, bekommen sie keine richtige Wohnung und sind auf Doyagais angewiesen. Man braucht nämlich keinen Arbeitsvertrag, Kaution etc.
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Dr. Gill berichtet, dass in den letzten Jahrzehnten die Bevölkerung dieser Doyagais stark gealtert ist. Während früher junge motivierte Männer jeden Tag einer Arbeit nachgingen und das System relativ stabil war, sind die meisten Einwohner der Doyagais heutzutage von männlichen Rentnern bewohnt, die Sozialhilfe bekommen. In den letzten Jahrzehnten haben die Doyagais also eine Entwicklung von einem Ort von Tagesarbeitern zu einem Ort von Sozialschwachen durchgemacht.
Obwohl weniger Bewohner arbeiten gehen, gingen die Doyagais nicht zurück, sondern es wurden mehr gebaut. Für die Besitzer dieser Gebäude lohnt sich das Geschäfft, denn Mieter die Sozialhilfe bekommen haben ein verlässliches Einkommen vom Staat. Auf Druck der Regierung mussten viele Gebäude jedoch saniert werden und neu gebaute bestimmte Richtlinien erfüllen, wie Beispielsweise einen Aufzug haben.
Aber wie landet man an so einem Ort? Laut Dr. Gill gibt es verschiedene Gründe dafür. Einerseits ist es eine Möglichkeit für ehemalige Kriminelle, die sonst woanders kein Mietvertrag bekommen eine Unterkunft zu bekommen. Andererseits gibt es dort auch Menschen, die aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel Schulden einfach kein Geld für die Mieten in beispielsweise Tokyo haben.
Wieso gibt es aber keine sozialschwachen weiblichen Personen? Laut Dr. Gill liegt der Grund in den Behörden. Junge Frauen, die eventuell auch noch Kinder haben, erhalten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Sozialhilfe als junge Männer, die theoretisch arbeiten gehen können. Während Frauen in spezielle Einrichtung für bedürftige Frauen gebracht werden, werden Männer eher in Jobs geschoben, auch wenn diese wenig Einkommen bringen (Tagesarbeit).
Verschiedene Artikel im Internet zeigen aber, dass die Regierung sich bemüht den Wachstum solcher Gegenden entgegenzuwirken. Neben Sozialhilfe erhalten bedürftige Menschen Job und Bewerbungstraining um dort herauszukommen. Wenn du das Thema interessant findest, kannst du hier mehr darüber lesen.
Hast du schon mal was davon gehört? Oder warst du vielleicht mal in einem Doyagai?
Danke fürs lesen. 読んでくれてありがとう。
Bernardo